Während dieses Jahr viele Schweizerinnen und Schweizer coronabedingt in den hiesigen Breitengraden blieben, werden sich davon andere Tiere nicht abhalten lassen. Die grosse Wanderung vieler Arten hat bereits wieder begonnen. Ob nach Südfrankreich, Marokko oder Südafrika, wird es bei uns kälter, zieht es viele Vögel, Fledermäuse und Schmetterlinge in südlichere Gefilde. Ausgeflogen oder eingefroren? - Mittelalterliche Irrglauben Die Wissenschaft tat sich lange schwer mit der Idee migrierender Tiere. Zumindest hielt sich im Mittelalter zwischenzeitlich der Irrglaube, Schwalben würden nicht nach Süden ziehen, sondern sich in zufrierenden Seen verstecken und im Frühjahr wieder auftauchen. Olaus Magnus, ein schwedischer Geschichtsschreiber, festigte diese Sage, die sich noch bis ins 19. Jahrhundert hielt. [1] Höher, schneller, weiter Doch die Wahrheit ist nicht minder spektakulär [2]: Auf bis zu 9000 m ü. M. überquert etwa die Streifengans (Anser indica) den Himalaya - und das ohne Sauerstoffmaske und Thermounterwäsche. Um solche Höhen zu meistern, reduziert sie ihren Stoffwechsel. Und in in ihrem Blutkreislaufsystem hat sie spezielle Anpassungen entwickelt, um Sauerstoff besser binden zu können. [3] Nicht ganz so hoch, aber doch eine eindrückliche Strecke fliegt das Odinshühnchen (Phalaropus lobatus). In nur sechs Tagen zieht es einmal quer über den Atlantik nach Amerika. Dort lässt es sich aber noch nicht stoppen und zieht weiter zum Pazifik, wo es den Winter verbringt. Die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea) hält den Langstreckenrekord unter den Zugvögeln. Jedes Jahr fliegt sie von der Arktis zur Antarktis und wieder zurück. So profitiert sie vom langen Sommer der Pole, wo die Sonne nie untergeht – und das gleich zweimal. Während etwa acht Monaten im Jahr herrscht für sie niemals Nacht. Zwitschernde Abendsegler Vögel sind zwar die prominentesten Vertreter der Zugtiere, aber bei weitem nicht die einzigen. Auch Fledermäuse und Schmetterlinge migrieren über weite Strecken. Der grosse Abendsegler (Nyctalus noctula) kehrt zurzeit hierher zurück, um den Winter bei uns zu verbringen. Er bewohnt Baumhöhlen oder auch Gebäudespalten. Wer nachts aufmerksam am Waldrand spazieren geht, kann die zirpenden Balzrufe der Männchen hören. [4, 5] © schneeleo / stadtwildtiere.ch Im Gegensatz zu Vögeln sind migrierende Fledermäuse bei uns eher im Winter zu Gast. Migration als Generationen-Projekt Von Skandinavien bis nach Westafrika zieht jedes Jahr auch der Distelfalter (Vanessa cardui) über 15 000 km weit. Jedoch legt nicht ein einzelner Falter diese enorme Strecke zurück, die Wanderung geschieht über mehrere Generationen. Die lange Reise gegen Norden, die ein Falter im Frühjahr in Afrika startet, beendet also erst sein Ur-ur-urenkel im Norden Europas. [6] © Jacqueline Hurt / stadtwildtiere.ch Auch Distelfalter ziehen jeden Herbst in den Süden und kehren im Frühjahr wieder zurück. Sommer Adé Wenn sich die Bäume bald gelb und rot verfärben, ziehen auch die letzten Sommergäste los auf ihre lange Reise gegen Süden. Manch einer wünscht sich vielleicht, es ihnen gleichtun zu können. Und doch, der Winter bei uns ist auch gar nicht mehr so ungemütlich – so haben einige Arten ihr Migrationsverhalten geändert und erfreuen uns nun auch im Winter mit ihrer Gesellschaft. So etwa der Storch, die Amsel oder auch der Admiralfalter. Und für die anderen heisst es erstmal: Lebt wohl und bis zum nächsten Frühjahr! Weiterführende Informationen https://www.vogelwarte.ch https://www.nationalgeographic.org Hutterer, Rainer & Ivanova, T. & Meyer-Cords, C.H. & Rodrigues, Luisa. (2005). Bat migration in Europe. A review of banding data and literature. Federal Agency for Nature Conservation. Verwendete Literatur [1] https://www.realclearscience.com/blog [2] https://www.spektrum.de/wissen [3] Meir, J., York, J., Chua, B., Jardine, W., Hawkes, L. and Milsom, W., 2019. Reduced metabolism supports hypoxic flight in the high-flying bar-headed goose (Anser indicus). eLife, 8. [4] https://zuerich.stadtwildtiere.ch/Anleitung_AkustischeKartierung [5] https://zuerich.stadtwildtiere.ch/sites [6] https://www.welt.de/wissenschaft