Begrünte Dachterrassen sind etwas Grossartiges. Es sind wunderbare Orte, um gemütliche Sommerabende zu verbringen. Sie leisten aber noch viel mehr. Sie kühlen das Klima, ersetzen verloren gegangenen Lebensraum für Pflanzen und Tiere, eignen sich für das Installieren von Sonnenkollektoren, laden zum Urban Gardening ein und verschönern das Stadtbild aus der Vogelperspektive. In der Schweiz gibt es tausende Quadratmeter Dachfläche, die begrünt werden wollen. Luftige Gärten Flachdächer sind in unseren Breitengraden eine bauliche Entwicklung neuerer Zeit. Während sie früher eher mit Kies belegt oder befestigt wurden, ist heute die Begrünung von Flachdächern immer mehr ein Thema. In städtischen Gebieten sieht man auf Dachzinnen älterer Häuser noch oft Wäscheleinen aufgespannt. Doch zunehmend werden diese luftigen Räume für die Bewohner*innen als Dachgärten nutzbar gemacht, wo sie den Feierabend im Freundeskreis geniessen und Partys feiern können. Am Rooftop Day, dem Tag der offenen Dachterrassen, lädt man sich gegenseitig zum Brunch ein. Dachgärten haben aber nicht nur sozial ein Potential, sondern vor allem auch ökologisch. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Viele Dachzinnen wurden nachträglich benutzbar gemacht, als Ersatz für fehlende Vorgärten oder Balkone. Dachgärten als Trittsteine Die bauliche Verdichtung führt dazu, dass Grünräume verloren gehen (siehe auch dieser Blogbeitrag). In städtischen Gebieten können Dachgärten solche Verluste teilweise kompensieren oder ein Ersatz für fehlende Grünräume rund um die Gebäude sein. Je grösser das Dach, desto vielfältiger sind die Gestaltungsmöglichkeiten und umso mehr Lebensraum kann für Pflanzen und Tiere geschaffen werden. Aber auch schon kleinere Dachgärten sind wertvoll. Denn Dachgärten können die Funktion von Trittsteinen übernehmen und je höher ihre Dichte, desto besser ist die Vernetzung von Grünräumen auch in luftiger Höhe und desto eher können sie auch weniger mobile Arten, darunter viele Insekten, für ihre Ausbreitung nutzen. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Dachgärten sind wertvolle Lebensräume für viele Insekten. Je mehr es gibt und je besser sie vernetzt sind, umso mehr Arten profitieren. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Eine Sandschrecke, entdeckt auf einem begrünten Industriedach in Basel. Grüne Pauseninsel Seit wir das Dach unseres Büros als Garten und gemütlichen Ort für unsere Pausen eingerichtet haben, ist das Raumklima im Büro darunter spürbar angenehmer geworden. Dank des Holzrosts, der nun das Metalldach abschirmt, heizt sich das Gebäude nicht mehr ganz so stark auf. Unterstützt wird die Wirkung durch Pflanzen. Die von unten her himmelwärts wachsende Glyzine spendet Schatten, die Weinrebe mit ihrem dichten Blattwerk befeuchtet die Luft und liefert gegen Herbst erst noch leckere Trauben und in den Pflanztrögen wächst das Gemüse für das Mittagessen. Die Bienen summen um die Blüten der Gründünung herum und die Distelfinken machen sich jeweils über die Sonnenblumenkerne her. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Urban Garden und luftiger Pausenraum in einem. Ökologische Leistungen Unbeschattete und nicht begrünte Dachflächen heizen sich tagsüber stark auf und geben diese Wärme nachts an die Umgebung ab. Begrünte Dächer haben dagegen erwiesenermassen eine hitzemindernde Wirkung. Sie reflektieren das Licht, halten einen Teil der Wärmestrahlung ab und können je nach Begrünungsgrad sehr viel Regenwasser aufnehmen. Durch die Verdunstung erhöht sich der kühlende Effekt. Das Mikroklima verbessert sich dadurch erheblich. Zudem schlucken sie Feinstaub und Schall und reduzieren den Umgebungslärm. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Beschattete Dächer kühlen das Klima. Das Substrat bestimmt die Vegetation Wie stark dieser Effekt ist, hängt davon ab, wie das Dach beschaffen ist, ob eine klassische helle Bekiesung, ein extensives Gründach oder gar ein bepflanztes Retentionsdach – ein Dach, das möglichst viel Regenwasser zurückhält – angelegt wurde. Welche Pflanzen auf einem Dach wachsen, bestimmt das Substrat, das auf das Dach ausgebracht wird. Ist die Substratdicke dünn mit wenig Humus, wachsen Pflanzen, die wenig Nährstoffe brauchen, ist sie dick, können sogar Bäume wachsen. Werden Substrate in unregelmässigen Dicken ausgebracht, entsteht ein Mosaik aus Mikrohabitaten mit unterschiedlicher Vegetation. Weitere Nischen kann man mit Totholz, Ast- oder Steinhaufen oder sandigen Stellen schaffen. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Dach des Tramdepots in Basel. Auf unebenen Flächen mit unterschiedlich dicken Substratschichten ergeben sich Mikrohabitate, mit feuchteren und trockeneren Stellen. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Extensive Gründächer sind nährstoffarm und entsprechend wachsen eher spezialisierte kleinwüchsige Arten wie Steinbrech oder Mauerpfeffer. Wildpflanzen ziehen Nützlinge an Ob Dachgarten mit Trögen oder mit einer flächigen Substratschicht: Natürlich ist es wie in den bodengebundenen Grünräumen auch auf Dachgärten am wertvollsten, wenn man eine möglichst grosse Vielfalt an einheimischen Pflanzen anstrebt. Dies nützt auch dem Gemüsegarten, denn je mehr Wildbienen vorbeischauen, desto besser werden Tomaten und Co. befruchtet. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Wärmeliebende Wildblumen wachsen gut auf Dachterrassen und sind wertvolle Nahrungspflanzen für viele Insekten. Viel Dachfläche wartet auf Begrünung In der Schweiz gibt es tausende Quadratmeter Flachdächer. Würde man in der Stadt Zürich alle Flachdächer nebeneinanderlegen, würden sie den Kreis 6 bedecken (510 Hektaren, Stand 2013) oder alle städtischen Naturschutzgebiete. Davon ist ein Drittel begrünt (189 ha) und davon wiederum nur die Hälfte flächendeckend (1). © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Viele Dächer in der Schweiz sind (noch) unbegrünt. Seit den 1990er Jahren ist es in den grösseren Städten und zunehmend auch in kleineren Städten und Gemeinden Pflicht, Dächer ab einer gewissen Grösse zu begrünen. Allerdings ist dies nur bei Neubauten und Sanierungen vorgeschrieben. Daher bleiben viele Dächer unbegrünt. Als Beispiel einer Sanierung mit Begrünung sei hier das Toni-Areal in Zürich erwähnt, das heute die Hochschule der Künste beherbergt. Der neu angelegte Dachgarten umfasst 2600 m2! © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Dachgarten im Toni-Areal in Zürich: Besonders üppig sind Dachgärten, deren Fläche ganz mit einer dickeren Substratschicht bedeckt ist. Erneuerbare Energie vom Dach Immer mehr Hausbesitzer*innen möchten auf erneuerbare Energien umstellen und Solarzellen aufs Dach montieren lassen. Fachleuten zufolge müssen sich Dachbegrünung und Solaranlagen nicht ausschliessen. Bei einer umsichtigen Planung, vor allem bezüglich des Substrats, ist es möglich, beides zu kombinieren. © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Vom Hardau-Hochhaus aus sieht man die Solarzellen auf dem Busdepot und dem Letzigrundstadion in Zürich. Begrünte Dächer prägen das Stadtbild Ganz klar haben begrünte Flachdächer auch einen ästhetischen Aspekt und werten das Stadtbild optisch auf. Wer schaut nicht lieber auf ein begrüntes, farbenfrohes Dach als auf ein versiegeltes Dach, auf dem die Luft in der Hitze vibriert und einen nur schon beim blossen Anblick in Schweiss ausbrechen lässt?! Wir sind auf jeden Fall froh, während der Kaffeepause auf unserem Dachgarten nicht auf eine graue Kiesfläche schauen zu müssen. Wenn man all diese Aspekte bedenkt, bleibt eigentlich nur eine Schlussfolgerung: Jedes Flachdach sollte begrünt sein! © Sandra Gloor & Claudia Kistler / stadtwildtiere.ch Blick vom Dachgarten: Begrünte Dächer sind ästhetisch ansprechender als versiegelte Flächen. Weiterführende Informationen (1) Magazin zur Ausstellung «Grün am Bau» der Stadtgärtnerei Zürich Dachbegrünung Stadt Zürich