Kunstlicht ist heutzutage fast überall präsent. Strassen werden beleuchtet, damit der Mensch sich sicher fühlt, Gebäude, damit sie sichtbar werden. Künstliche Beleuchtung kann jedoch verschiedene negative Auswirkungen auf Pflanzen und Tiere haben: Nachtlicht kann den Tages-Nacht-Rhythmus von Organismen durcheinanderbringen oder wichtige Überlebensfunktionen wie Nahrungserwerb und Fortpflanzung beeinträchtigen. Anhand von Forschungsresultaten von Glühwürmchen und Fledermäusen zeigen wir beispielhaft auf, wie die Auswirkungen von Kunstlicht die Biodiversität gefährden. Zunahme der weltweiten Lichtverschmutzung Kunstlicht ist zu einem wichtigen Bestandteil unserer Kultur geworden. Strassen und Plätze werden beleuchtet, um den Menschen Sicherheit zu bieten. Gebäude, Brücken, Kirchen oder Kunstinstallationen werden durch die Beleuchtung gestalterisch sichtbar gemacht. Der weltweite Verbrauch von Licht und die damit verbundenen Lichtemissionen nehmen stetig zu. Die Lichtverschmutzung der Nacht ist mittlerweile zu einem globalen ökologischen Problem geworden. Die nächtliche Dunkelheit als natürliche Ressource braucht Aufmerksamkeit und Schutz. © Fabio Bontadina / swild.ch Intelligenter Einsatz von Kunstlicht Damit die negativen ökologischen Auswirkungen reduziert werden können, braucht es eine intelligente Verwendung von künstlichem Licht, d.h. Kunstlicht muss sparsamer, effizienter und gezielter in Raum und Zeit eingesetzt werden. Effekte von Licht auf Pflanzen, Tiere, Mensch und Lebensgemeinschaften Alle Organismen, d.h. Bakterien, Algen, Pilze, Pflanzen, Tiere und natürlich auch der Mensch haben sich im Laufe der Evolution an den Tag-Nacht-Wechsel angepasst und verfügen über eine ausgeprägte physiologische Uhr („innere Uhr“). Diese wird hauptsächlich durch das Licht des natürlichen Tag-Nacht-Wechsels auf den 24- Stundenrhythmus (circadianer Rhythmus) eingestellt. Die meisten Tiere und Pflanzen sind zudem in der Lage, ihre innere Uhr an die sich ändernden Tageslängen (Photoperiode) innerhalb des Jahres anzupassen. Die Steuerung durch die Tageslänge ermöglicht eine Reihe ökologischer Vorteile. So ist es beispielsweise für Tiere von Vorteil, ihre Jungen bei günstigen Umweltbedingungen aufzuziehen und für Pflanzen, nicht im Winter zu blühen. Lichttolerante Arten profitieren, lichtscheue Arten kommen unter Druck Künstliche Beleuchtung kann sich auf die verschiedenen Pflanzen- und Tierarten unterschiedlich auswirken. Während die lichttoleranten Arten von künstlichem Nachtlicht profitieren, sich anpassen können oder nicht davon betroffen sind, kann es für lichtempfindliche Arten bedeuten, dass ihre Überlebensfähigkeit reduziert oder ihr Sterberisiko erhöht ist. Weiter kann künstliche Beleuchtung den Lebensraum von Tierarten zerschneiden, ihren Aktionsradius und damit den Nahrungserwerb einschränken. Sie kann auch zu veränderter Konkurrenz und Räuber-Beute-Beziehung zwischen Arten führen. Als Folge kann es zur schleichenden Artenverschiebung innerhalb einer Lebensgemeinschaft kommen. Bei bedrohten Arten muss ein Rückgang oder gar das Aussterben von kleinen, isolierten Populationen befürchtet werden, besonders dort, wo Lebensräume durch die städtische Entwicklung zerschnitten werden. Der Einfluss von künstlicher Beleuchtung kann sich auch auf die Synchronisation von biologischen Prozessen, die wichtig für das Überleben sind, auswirken. Störungen der lichtbedingten Zeitgeber von saisonalen Verhalten (z.B. Fortpflanzung, Vogelzug, Nahrungssuche) und der damit verbundenen physiologischen Anpassungen (z.B. Thermoregulation) können negative Effekte verursachen, die auch zum Tod der Tiere führen können. Auswirkungen bei Glühwürmchen In der Schweiz leben vier Glühwürmchen-Arten (Familie der Leuchtkäfer, Lampyridae). Künstliches Nachtlicht kann ihre innerartliche Kommunikation beeinträchtigen, denn die Glühwürmchen setzen zur Kommunikation auf die Biolumineszenz, die Erzeugung von Licht in speziellen Lichtorganen. Diese Lichtsignale können die Leuchtkäfer bis zu einer Distanz von etwa 45 m wahrnehmen. Die spektrale Zusammensetzung der Lichtsignale liegt zwischen ca. 500 bis 650 nm (im grünen und gelben Wellenbereich) mit einem Maximum bei 550 bis 580 nm. Bei den Männchen der Grossen Leuchtkäfer (Lampyris noctiluca) liegt der Hauptbereich der Wahrnehmung im gelben Wellenbereich. Kommunikationsstörung beim Grossen Leuchtkäfer Ein Beispiel einer gestörten Kommunikation durch Nachtlicht und der Folgen hat man beim Grossen Leuchtkäfer (Lampyris noctiluca) an einem mit Strassenlampen beleuchteten Weg beobachtet. Bei dieser Art locken die am Boden sitzenden, flugunfähigen Weibchen die flugfähigen Männchen mittels Leuchten an. Die Weibchen, die unter oder in der Nähe einer Lampe sassen, gaben zwar unermüdlich Leuchtsignale ab, konnten aber keine Männchen anlocken. Denn die Männchen mieden die beleuchteten Areale – oder nahmen das Licht der Weibchen nicht wahr. Weil also die Paarung ausbleibt und die Individuen kurze Zeit nach der Fortpflanzungszeit sterben, wird die Vermehrung der Leuchtkäfer durch die nächtliche Beleuchtung verhindert. Man vermutet, dass die Weibchen ihre Standorte tagsüber aufsuchen und daher die Beleuchtung in die Standortwahl nicht mit einbeziehen können. Auswirkungen bei Fledermäusen Die Wirkung von nächtlichem Licht ist bei den verschiedenen Fledermausarten unterschiedlich. Einige profitieren davon, andere meiden das Licht oder werden sogar verdrängt. Es sind die bereits stark bedrohten Arten, die durch künstliches Lich zusätzlich gefährdet werden. Positiver Einfluss von Kunstlicht Die im freien Luftraum jagenden Arten (die Gruppen der Abendsegler, Breit- und Nordfledermäuse sowie die Gruppe der Zwergfledermäuse) suchen beleuchtete Strassen zur Insektenjagd auf. Sie profitieren dort von der lokalen Konzentration an Insekten. Negativer Einfluss von Kunstlicht Künstliche Beleuchtungen beeinträchtigen jedoch den Lebensraum von vielen Fledermausarten in verschiedenen Bereichen, so bei den Tagesquartieren, bei der Nahrungssuche und der Jungenaufzucht. Im Folgenden einige Auswirkungen von Kunstlicht auf lichtscheue Arten: Verschiedene Fledermausarten versammeln sich im Sommerhalbjahr in Estrichen von Gebäuden (in so genannten Wochenstubenquartieren) zur Fortpflanzung. Diese Arten zeigen eine grosse Empfindlichkeit auf Licht in der Nähe ihres Quartiers, was vermutlich mit der Feindvermeidung zusammenhängt. Die Installation von Beleuchtungen oder das Brennen-lassen einer Lampe während der Nacht kann dazu führen, dass angestammte Tagesquartiere verlassen werden. Verschiedene Fledermausarten (Grosse Hufeisennasen, Grosses Mausohren oder die Gruppe der Langohren ) verlassen ihr Quartier am Abend über die dunkelste Seite. Die von der Abenddämmerung oder von Strassenlampen erhellten Gebäudeseiten werden gemieden. Temporär oder andauernd beleuchtete Ausflugsöffnungen von Tagesquartieren/Wochenstuben können dazu führen, dass die Fledermäuse später als üblich am Abend ausfliegen. Dadurch bleibt den Tieren weniger Zeit für die Nahrungssuche. Während der sensiblen Phase der Jungenaufzucht kann dies sogar zu erhöhter Jungensterblichkeit führen (Grosses Mausohr). Hinweise gibt es auch darauf, dass in beleuchteten Gebäuden die Jungen später geboren werden oder langsamer wachsen (Wimperfledermaus, Kleines Mausohr). Strassenlampen entlang von Ausflugrouten können den Ausflug verzögern und die Dauer der nächtlichen Jagdzeit der Fledermäuse dramatisch reduzieren (Kleine Hufeisennase). Licht kann die Ausflugroute von Fledermäusen wie eine Barriere behindern, das heisst, befindet sich eine Lichtquelle auf ihrer Flugroute, ändern sie ihren Flugweg, um so dem Licht auszuweichen (Teichfledermäuse, Kleine Hufeisennasen). Beleuchtungen im Jagdgebiet können dazu führen, dass die Fledermäuse die beleuchteten Bereiche meiden und nur in den dunklen Bereichen jagen (Zwerg- und Wasserfledermäuse). Durch nächtliche Beleuchtung können angestammte, lichtmeidende Fledermausarten durch (zugewanderte) lichttolerantere Arten verdrängt werden. Im Auftrag der Stadt Zürich hat SWILD, Zürich einen Grundlagenbericht zu den ökologischen Auswirkung von Kunstlicht erstellt. Auf der Website www.helldunkel.ch steht die Zusammenfassung zur Verfügung. Der Gesamtbericht kann bestellt werden. Hotz T, Kistler C & Bontadina F. 2011. Ökologische Auswirkungen künstlicher Beleuchtung. Grundlagenbericht. Zweite, aktualisierte Zusammenstellung vom 20. Juni 2011. SWILD, Zürich, 121 Seiten. www.helldunkel.ch